Exkursion des P-Seminar Wirtschaft und Recht an das Strafjustizzentrum München

04.03.2024

Am 7. Februar 2024 unternahm unser P-Seminar Wirtschaft und Recht unter der Leitung von Frau Kaltenhauser eine Exkursion zum Münchner Amtsgericht. Unsere Reise begann bereits um 6:50 Uhr am Wasserburger Bahnhof, wo wir über Ebersberg nach München fuhren. Nach eineinhalbstündiger Fahrt erreichten wir schließlich das Amtsgericht im Justizzentrum am Stiglmairplatz. Dort durchliefen wir einen Sicherheitscheck, ähnlich dem an Flughäfen. Gespannt warteten wir dann auf unseren ersten Fall, in dem eine schwere Körperverletzung verhandelt wurde.

Der etwa 60-jährige Angeklagte hatte versucht, seinen wegfahrenden Bus durch Schlagen mit der Hand auf die Scheibe des Busses anzuhalten. Dabei geriet er in eine zunächst verbale Auseinandersetzung mit einem etwa 35-jährigen Busfahrer. Während des Streits kam es dazu, dass das Opfer mit einem Stockschirm im Schritt und an den Rippen verletzt wurde. Das Opfer hatte später bei der Polizei angegeben, vom Angeklagten vorsätzlich mit dem Stockschirm geschlagen worden zu sein. Der Angeklagte dagegen behauptete bei der gerichtlichen Befragung, er sei über den Fuß des Opfers gestolpert und im Fallen in der Drehbewegung mit dem Schirm in die Genitalien des Opfers geraten. Die widersprüchlichen Aussagen führten zu einer intensiven Befragung beider Parteien. Nach neun Monaten konnte sich das Opfer nicht mehr genau an die Ereignisse erinnern und wich in seinen Äußerungen teilweise deutlich von seiner Aussage ab, die unmittelbar nach der Auseinandersetzung bei der Polizei protokolliert worden war. Weitere Widersprüche in den Aussagen beider Parteien führten letztendlich dazu, dass sich das Gericht, die Staatsanwältin und der Rechtsanwalt zu einer Besprechung zurückzogen. Bei dieser Besprechung wurde einvernehmlich vereinbart, die Anklage gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 900 € einzustellen.

Im Anschluss an diese Verhandlung fand die Richterin noch Zeit, den Fall mit uns zu besprechen und auch ausführlich über das Berufsbild „Strafrichterin“ zu erzählen.

Danach stärkten wir uns in der Kantine und machten uns dann auf zum zweiten Fall des Tages. Hierbei handelte es sich um einen Wohnungseinbruch und schweren Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung. Der Angeklagte saß bereits seit vier Monaten in Untersuchungshaft und wurde in Handschellen von zwei Justizvollzugsbeamten vorgeführt. Da der Angeklagte Rumäne ist, wurde ein Dolmetscher benötigt. Trotz Ladung war aber kein Dolmetscher vor Ort, so dass wir über eine Stunde auf Ersatz warten mussten.

Im Schwurgericht befanden sich neben der Berufsrichterin zwei Schöffen, die während der Wartezeit vereidigt werden konnten. Die Vereidigung der Schöffen findet in der ersten Verhandlung statt, in der sie als Schöffen berufen sind – für die zwei Schöffen war es also Premiere. Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die bei der Urteilsfindung das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter haben, im Extremfall können sie also den Berufsrichter mit 2:1 überstimmen. Auch dürfen sie während der Verhandlung in ähnlicher Weise Befragungen durchführen.

Der Angeklagte konnte bei der sich dann anschließenden Verhandlung mit einem umfassenden Geständnis und einem (bereits durchgeführten) Täter-Opfer-Ausgleich punkten. Er hatte bereits im Vorhinein die Initiative ergriffen, das gestohlene Geld zurückgezahlt und den Sachschaden beglichen. Das gereichte ihm zum Vorteil und der Strafrahmen konnte zugunsten des Angeklagten verschoben werden. Statt des in § 244 StGB vorgesehenen Strafrahmens von einem Jahr bis zehn Jahren Freiheitsstrafe wurde durch den Täter-Opfer-Ausgleich gem. § 46 a) § 49 StGB ein Strafrahmen von drei Monaten bis zu sieben Jahren sechs Monaten möglich. Aufgrund einer Verständigung („Deal“) nach § 257 c) StPO konnte zudem im Gegenzug zu dem umfassenden Geständnis ein konkreter Strafrahmen von zehn Monaten bis zu einem Jahr sechs Monate Freiheitsstrafe in Aussicht gestellt werden. Diese Reduzierung kann erhebliche Auswirkungen haben: Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr können nämlich leichter auf Bewährung ausgesetzt werden.

Der Staatsanwalt plädierte angesichts vielfältiger (auch einschlägiger) Vorstrafen auf ein Jahr und zwei Monate, während der Verteidiger lediglich auf elf Monate plädierte. Für den Angeklagten sprach letztendlich sein Geständnis, seine gezeigte Reue und eine gute Sozialprognose, so dass das Urteil auf ein Jahr Freiheitsstrafe mit einer Bewährungszeit von drei Jahren lautete.
Insgesamt erlebten wir eine faszinierende Exkursion, die uns zu tiefen Einblicken in Gerichtsverhandlungen und in die Rollen von Richtern, Staatsanwälten und Anwälten verhalf. Unsere Begegnungen mit diesen Personen zeigten uns einerseits, dass sie ganz normale Menschen sind, mit denen man normale Gespräche führen kann, andererseits wuchs aber auch unser Respekt vor diesen Berufsgruppen, da sie durchweg ein gutes Gespür zeigten und z.B. widersprüchliche Aussagen schnell als falsch identifizieren konnten.

Diese Erfahrungen ermöglichten uns, Vorurteile und falsche Vorstellungen aus dem Weg zu räumen, die oft durch Fernsehsendungen und Serien hervorgerufen werden.

Christian Lau, 11a